Statement der Karawane für das Leben statt G7

Deutschland gleicht einem Polizeistaat: Statement der Karawane für das Leben statt G7 zum Verlauf der G7-Proteste

Der Verlauf der G7-Proteste im Juni 2022 in Garmisch-Partenkirchen, Klais und Elmau spiegeln deutlich die aktuelle Lage der sogenannten Demokratie in Deutschland. Im folgenden Statement werden die Proteste in GAP am 26.6. und Klais bzw. in der Nähe des Schlosses Elmau am 27.6. im Detail beschrieben und nach fünf Gesichtspunkten analysiert:

  1. Einschränkung bzw. Verwehrung von Grundrechten (vor allem Versammlungsfreiheit)
  2. Militarisierung der Polizei
  3. Überwachung
  4. Einschüchterung
  5. Körperliche und psychische Gewalt

1. Einschränkung bzw. Verwehrung von Grundrechten (vor allem Versammlungsfreiheit)

Mehrmalige Personen- und Fahrzeugkontrollen auf dem Weg nach Garmisch-Partenkirchen (GAP) und Klais

Eindeutige Verfolgung der Menschen/Fahrzeuge der Karawane, obwohl mit den Anmelder*Innen abgesprochen war, dass keine Kontrollen stattfinden. Außerdem wurden Menschen willkürlich Platzverweise erteilt, wodurch ihnen ihr Demonstrationsrecht verwehrt wurde.

Kessel nach der offiziellen Demonstration in GAP

Die Polizei kesselte die Teilnehmer*Innen der Karawane und einige andere Menschen, etwa 500m von der Schlusskundgebung in GAP entfernt, auf dem gemeinsamen Weg zum Protestcamp. Die Polizei ignorierte Nachfragen von Demobeobachtung und Polizeikontakt. Es wurde kein Grund zur Einkesselung angegeben, außer dass es sich um eine „polizeiliche Maßnahme“ handelte. Eine Person, die währenddessen eine Panikattacke hatte, wurde festgenommen. Obwohl die Polizei darauf hingewiesen wurde, dass die Demosanitäter*Innen gerufen wurden und die Person ärztliche Hilfe brauchte, wurde Zwang angewandt und die Person festgenommen.

Einschränkung der Versammlungsfreiheit an der Kundgebung in Klais und in der Nähe des Schlosses Elmau

Menschen der Karawane (die internationalen Gäst*Innen und zwei Begleitpersonen), die sich für die Teilnahme an der Kundgebung in der Nähe des Schlosses namentlich registrieren mussten, wurden vor Ort komplett durchsucht und ihre Personalien wurden nochmals aufgenommen. Sie wurden entwürdigend im Intimbereich angefasst und mussten teilweise die Fotos ihrer Handys zeigen. Bis zur Abfahrt zum Protestort, saßen die Protestierenden im vollen Bus, ohne Klimanlage, bewacht von mindestens 10 Polizist*innen im Gang des Busses. Sie wurden während der gesamten Zeit in Klais und dem Protestort in der Nähe des Schlosses von der Polizei begleitet und konnten sich nicht frei bewegen.

Die Teilnahme an dieser „Kundgebung“, die aus Sicht der Protestierenden nichts mehr mit einem legitimen Protest und dem Recht der freien Meinungsäußerung zu tun hatte, war zudem auf 50 Personen beschränkt. Außerdem befand sich der „Protestort“ nicht in Hör- und Sichtweite des Schlosses. Das Schloss war nur als entfernte Silhouette zu erkennen und es war unmöglich, dass der Protest an die Staatschefs der G7 gerichtet war, wahrgenommen werden konnte. Diese zahlreichen Rechtsbrüche, sind nicht nur Verstöße gegen die Versammlungsfreiheit, sondern gegen das Urteil, was sich 2015 das Stopp G7 Bündnis erkämpft hatte.

Der Konvoi, der von Klais zum „Protestort“ fuhr, wurde nach 10 Minuten angehalten mit der Begründung „jemand wichtiges müsse vorbei fahren“, so die Polizei auf Nachfrage. Deswegen musste der Zug an Bussen und Polizeibegleitung weitere 10 Minuten zum Stillstand kommen. Die Menschen mussten dicht gedrängt mit der Polizei in den Bussen verharren, ohne Klimaanlage bei 30 Grad. Die gesamte Besetzung der hinterherfahrenden Polizei-Transporter stieg aus und umzingelte den Bus. Am Protestort angekommen, mussten sich die Protestierenden auf eine sehr kleine Fläche in einem Graben zusammenstellen. Eine ältere internationale Aktivistin der Karawane ist aufgrund des unwegsamen Geländes ausgerutscht und hingefallen. Die Kundgebung wurde jedes Mal unterbrochen, wenn Polizei oder Feuerwehr vorbei fuhr. Schlussendlich wurde die 30-Minütige Kundgebung vorzeitig abgebrochen, mit der Begründung die Zeit sei abgelaufen. Dies deutet daraufhin, dass die mehreren Unterbrechungen von Seiten der Polizei, Feuerwehr oder „wichtigen“ Menschen, der Kundgebungszeit abgezogen wurden.

Aus Sicht der Karawane und vor allem der internationalen Gäst*Innen der Karawane, deren Stimmen sowieso kaum Gehör finden und marginalisiert werden, war die gesamte Situation mehr als entwürdigend, rassistisch und absolut respektlos. Obwohl sie aus Ländern kommen, in denen Polizeigewalt und Erniedrigungen durch die Polizei alltäglich sind, empfanden sie die Behandlung durch die Staatsgewalt als bedrohlich, einschüchternd und erniedrigend. Sie waren schockiert davon, dass in einer vermeintlichen Demokratie, die sich Deutschland auf die Fahnen schreibt, in der das Recht auf freie Meinungsäußerung herrschen sollte, die Grundrechte so mit Füßen getreten wurde.

Massive Behinderung von journalistischer Arbeit und Pressefreiheit

Während des Demonstrationszuges in GAP wurden Journalist*innen und Medienschaffende von der Polizei daran gehindert, die Demonstrierenden zu filmen und ihrer Pressearbeit nachzugehen. Vor allem in Klais wurde das Ausüben von Pressetätigkeiten aufgrund der sehr hohen Polizeipräsenz erschwert. Da die Polizei und Polizeiwägen oft über die Versammlungsfläche gelaufen oder gefahren sind, hat sich das Ausführen von Interviews als schwierig erwiesen. Auch aufgrund des unwegsamen Geländes, der vielen Unterbrechungen durch vorbeifahrenden Fahrzeugen (und natürlich der hohen Polizeipräsenz) am „Protestort“ in der Nähe des Schlosses, wurden die Presse massiv behindert.

2. Militarisierung von Polizei

Zusammenarbeit von Militär und Polizei

Auf dem Weg nach Klais wurden an mehreren Stellen Fahrzeuge von Gebirgsjägern und der Polizei gesichtet, die nebeneinander auf Parkplätzen an Waldrändern standen. Mehrere Gebirgsjägerfahrzeuge fuhren auf der Straße an Menschen/Fahrzeugen der Karawane vorbei. Die Gebirgsjäger sind eine infanteristische Gebirgstruppe, die für den Kampf gegen Infanterie in schwierigem Gelände eingesetzt werden. Es ist nicht verständlich, wie der Einsatz einer solchen Kampftruppe gerechtfertigt wird, wenn laut Aussage der Polizei weder viele Protestierende noch irgendwelche Zwischenfälle erwartet wurden. Wir sehen darin einen weiteren Schritt, hin zur Militarisierung der Polizei und bewerten diesen Einsatz als absolut unverhältnismäßig im Vergleich zu den wenigen tausend Demonstrierenden, die sich friedlich verhalten haben.

Schwere Bewaffnung von Polizei

Menschen aus der Karawane konnten an mehreren Stellen in GAP eingezäunte Bereiche sehen, in denen Polizist*Innen mit Maschinenpistolen stationiert waren. In einem so kleinen Dorf, eine solche Form der Abschreckung und Machtdemonstration aufzufahren, während an dem Protestcamp nur etwa zwei- bis dreihundert Menschen zelten, ist überzogen.

Polizeiaufgabengesetz (PAG)

Mehrmals wurde den Menschen der Karawane „G7 und PAG (Polizeiaufgabengesetz)“ als Begründung für die Kontrollen genannt. Erstens ist dies keine rechtmäßige Begründung für eine Komplettdurchsuchung von Menschen und Fahrzeugen. Zweitens zeigt es, dass das PAG, welches nach dem letzten Urteil als verfassungswidrig eingestuft wurde und eigentlich geändert werden müsste, von der Polizei als Vorwand benutzt wird, um unrechtsmäßige Durchsuchungen durchzuführen. Wir ordnen dieses Vorgehen als reine Schikane und Einschüchterung ein.

3. Überwachung

Fotografieren ohne Grund auf der Demonstration in GAP, der Kundgebung in Klais und dem „Protestort“ in der Nähe des Schlosses.

Präsenz eines Überwachungsturms mit Antenne, Kamera, Richtmikrofon direkt neben der Kundgebung in Klais. Präsenz von Polizeiwägen mit Richtmikrofonen auf der Demonstration in GAP.

4. Einschüchterung

Gefährder*Innenansprachen bei Menschen in Düsseldorf mit der Aussage, sie sollen nicht zu den G7-Protesten fahren. Auch dies sind offensichtliche Einschüchterungsversuche die im Rahmen des PAGs gerechtfertigt werden.

Verfolgung der G7-Karawane bei Veranstaltungen in München

Bei jeder öffentlichen Informationsveranstaltung unserer Karawane in München (23.6, 24.6, 25.6) tauchte etwa eine Stunde vorher die Polizei auf, befragte Menschen nach den verantwortlichen Personen, bot ihren „Schutz“ an und machte sich Notizen zu Personen, die das Veranstaltungsgelände verließen.

An der Kundgebung in Klais wurden direkt am Bahnübergang vor dem Kundgebungsort mehrere Zwinger mit Schäferhunden darin aufgestellt, die laut bellten. Es handelte sich eindeutig um eine Einschüchterung, da wir alle direkt an den Zwingern vorbeifahren oder laufen mussten.

Neben den wartenden Menschen unserer Karawane, die nicht mit den 50 Personen im Bus zur Kundgebung fuhren, positionierten sich über etwa zwei Stunden fünf Personen die nach unserer Einschätzung vom Staatsschutz waren. Nach Ihrer Aussage waren sie nicht von der Polizei aber sollten „nach dem Rechten schauen“. Auch nach mehrmaligem Auffordern, dass sie uns in Ruhe lassen sollten, sind sie nicht von unserer Seite gewichen.

Unverhältnismäßige Polizeipräsenz bzw. -Begleitung

Auf der Kundgebung in Klais war der Anteil der Polizei im Verhältnis zu den Protestierenden etwa drei- bis viermal so hoch. Sobald wir Banner auspackten und Parolen riefen, stellte sich eine Wand aus Polizist*innen vor uns, die sich bedrohlich aufbauten. Wir wurden nach der Kundgebung mit einem eins-zu-eins Geleit und mehreren Polizeifahrzeugen zu unserem Bus „begleitet.“

5. Körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt

Delegation zum „Protestort“ in der Nähe des Schlosses

Personenkontrollen, Ganzkörperdurchsuchungen, ausführliches Abtasten des Intimbereichs, Finger im Analbereich. Diese Durchsuchungen unserer internationalen Gäst*Innen und ihrer Begleitpersonen waren absolut herabwürdigend, unnötig, unverhältnismäßig und rassistisch, da vor allem nicht deutschsprachige und die internationalistische Personen diese „Behandlung“ über sich ergehen lassen mussten. Dieses Vorgehen ist sexualisierte Belästigung und Gewalt.

Nach der Durchsuchung haben die Demonstrierenden eine Stunde im Bus warten müssen, ohne Klimaanlage bei 30 Grad und in einem vollen Bus. Während des Transports hat die Polizei (mindestens ein*e Beamt*in pro demonstrierende Person) die Demonstrierenden im Bus dazu aufgefordert, aufzuhören ihre Sprüche zu rufen. Dann wurde der Transport unterbrochen, weil „jemand wichtiges“ vorbei fuhr. Die gesamte Besetzung der hinterherfahrenden Polizei-Transporter stieg aus und umzingelte den Bus. Der Motor des Busses wurde abgestellt und somit auch die Klimaanlage.

Als Resultat der beschriebenen Vorgänge und unserer Erlebnisse der letzten Tage, ist uns klar, dass das Verhalten der Polizei, welches durch das Wahren einer scheinbar gefährdeten „Sicherheit“ öffentlich gerechtfertigt werden sollte, absolut unverhältnismäßig war und gegen jegliche Grundrechte und Rechte der freien Meinungsäußerung verstieß.

Während die Staatschefs aus dem globalen Süden als „wichtige Menschen“ ehrvoll und luxuriös empfangen wurden, ist es unseren internationalen Gäst*Innen gegenüber eine Schande, dass es den deutschen Behörden scheinbar vollkommen egal ist, wie mit ihnen umgegangen wurde. Diese Menschen sind hier her gekommen, um gemeinsam mit uns ihren legitimen Protest und ihre Kritik an der Politik der G7-Staaten auszudrücken. Uns ging es darum eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, wir sind bewusst mit unseren Inhalten an die Medien gegangen und haben nie ein Geheimnis aus unserer Kritik oder unserer Karawane gemacht. Dass wir deshalb wie Schwerverbrecher*Innen behandelt und verfolgt wurden, zeigt um so deutlicher, wie marode diese scheinbare Demokratie ist und mit welchen Mitteln ein Bild von „linksextremen Gewalttäter*Innen“ erzeugt werden soll, welches letztendlich jegliches rechtswidrige Verhalten von Staat und Polizei rechtfertigt.

Danke für nichts G7, Polizei Bayern/Deutschland und Herr Scholz!

#thisiswhatdemocracylookslike

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